Sanitäter-Projekt

Bedarfsbeschreibung

In Berlin leben ca. 3.000 – 5.000 junge Menschen auf der Straße. Ungezählt sind zudem noch solche Jugendliche und junge Erwachsene, die zwar nicht als „obdachlos“ gelten, deren Le-bensmittelpunkt und sozialer Bezugspunkt jedoch für eine kürzere oder längere Zeit die Straße bzw. der öffentliche Raum ist. Allen gemeinsam ist, dass sie Schwierigkeiten haben, in ihrer individuellen Lebenssituation (Armut, geringer Bildungsstand, soziale Benachteiligung) eine Perspektive für ein selbstständiges und zufriedenstellendes Leben zu entwickeln und auch zu realisieren.

Das Leben auf der Straße birgt eine Reihe von Risiken in sich, die unter Umständen auch zu dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schäden beim Einzelnen führen können, auch wenn er/sie längst nicht mehr in der Straßenszene unterwegs ist. Alkohol- und Drogenkonsum, der lange Aufenthalt im Freien, unzureichende und unhygienische Wohnverhältnisse, häufig wechselnde soziale Kontakte und Sexualpartner sind Ursachen für den häufig schlechten gesundheitlichen Zustand. Typische Krankheitsbilder sind neben „Tierchen“ (Milben, Läuse, Flöhe) vor allem Hautinfektionen durch Schnitt-, Biss- und Brandwunden, Abszesse, Hepatitis-Infektionen und Schäden, die durch Drogen-Überdosierungen entstehen (Atem-/Herzstillstand, abgestorbene Gliedmaßen, Verkühlung, Misshandlung, Unfälle usw.). Häufig treten auch psychische Störungen auf. Der Zugang zur medizinischen Regel-Versorgung ist oft versperrt. Die Jugendlichen sind in der Regel familienversichert und ihre Versicherungskarte ist bei den Eltern verblieben. Junge Erwachsene fallen aus der Krankenversicherung heraus, wenn sie ihren Meldepflichten bei den Behörden (Arge oder Sozialamt) nicht nachgekommen sind.

Projektidee

Das „Sanitäter-Projekt“ zielt auf eine Verbesserung gesellschaftlich notwendiger und arbeitsmarktbezogener Kompetenzen und Chancen von jungen Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße ist. Anknüpfend an die aktuelle Lebenssituation und Interessen sollen Jugendliche und junge Erwachsene von der Straße eine aktive Rolle in der lebensweltbezogenen Gesundheitsförderung einnehmen. Dabei erwerben sie soziale und fachliche Kompetenzen. Fachkräfte der aufsuchenden und niedrigschwelligen Jugendhilfe flankieren das Projekt als MultiplikatorInnen und unterstützen dadurch die Umsetzung und die nachhaltige Wirkung des Projekts.

Zielsetzung

  • Training von beruflich einsetzbaren Basisqualifikationen wie (Selbst-)Motivation, Zuverlässigkeit, soziale Kompetenzen, Übernahme von Verantwortung und Grundlagenwissen zu Gesundheitsthemen
  • Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung der Straßenjugendlichen durch fachliche Qualifizierung
  • Vermeidung bzw. Verringerung akuter und chronischer gesundheitlicher Risiken und Schäden bei jungen Menschen durch
    • Verbesserung der Wahrnehmung gesundheitlicher Gefahren beim Leben auf der Straße
    • Verbesserung der Handlungskompetenz zur Verringerung bzw. Bewältigung der Gesundheitsrisiken

Zielgruppe

Jugendliche und junge Erwachsene bis ca. 25 Jahre, deren Lebensmittelpunkt der öffentliche Raum (Straße, Bahnhof usw.) ist.

Projektumsetzung

Das Projekt wird von Fixpunkt e. V in Absprache und enger Zusammenarbeit mit StreetworkerInnen und Einrichtungen der Jugendhilfe durchgeführt.

Die ProjektmitarbeiterInnen suchen Jugendliche und junge Erwachsene auf der Straße bzw. in niedrigschwellig betreuenden Einrichtungen der Jugendhilfe (Kontaktläden, betreutes Kri-senwohnen) auf. In Einzelgesprächen und in Gruppenveranstaltungen erarbeiten sie gemein-sam mit den jungen Erwachsenen Grundlagenwissen zu straßenszene-typischen Erkrankungen, deren Vermeidung und/oder Behandlung. Sie trainieren die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Symptomwahrnehmung und besprechen Möglichkeiten, wie medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden kann bzw. möglichst wieder ein Zugang zur medizinischen Regelversorgung gefunden werden kann. Die MitarbeiterInnen der Jugendhilfe werden nach Absprache verbindlich in die Kontaktarbeit und Schulung einbezogen.

Zu den Angeboten der Basisqualifikation zählen Schulungen zur Ersten Hilfe, Hygiene (angepasst an die schwierigen Lebensbedingungen auf der Straße bzw. in einer Krisenwohnung), Wundversorgung und zur Parasitenbehandlung. Je nach persönlicher Lebenssituation, Fähigkeiten und Interessen wird ein Teil der KursbesucherInnen zu besonders geschulten Experten („Sanitätern“) qualifiziert. Diese stellen sich unter fachkundiger Anleitung ihre eigene, per-sönliche „Sanitäter-Tasche“ zusammen. Die Tasche ist mit Informationsmaterialien, Desinfektionsmitteln, Fieberthermometer, Verbandsmaterial etc. gefüllt.

In regelmäßigen Abständen werden die „Experten“-TeilnehmerInnen von den Fixpunkt-MitarbeiterInnen erneut kontaktiert bzw. kommen zum Charlottenburg-Wilmersdorfer Präventionsmobil, um ihre Sanitäter-Tasche aufzufüllen, Erfahrungen auszutauschen und ihr Wissen aufzufrischen.

Die Dauer der Projektteilnahme ist individuell unterschiedlich. Sie sollte vier Monate nicht unterschreiten, endet in der Regel jedoch mit der Beendigung des Betreuungs-/Beratungsverhältnisses zwischen TeilnehmerIn und kooperierender Einrichtung.

Projektdauer

01.01.09 – 31.12.14